Thomas W. Kuhn
Vera Lossau
Text aus/text from: RISING – Young artists to keep an eye on, DAAB Verlag, Köln 2011
Memories are multi-faceted. An object or image can bring back real events and feelings that are past, but also evoke those
that have never happened and which have only become real in the mind.
The things of this world can embody such memories and impressions in which experiences fuses with imagination.
The sculptural objects by Vera Lossau can awaken many memories and are at the same time a storehouse for the memory of
their own origins in the mind, their shaping and realisation. Standing as a substitute for a loss are casts of destroyed images,
or a dog lying on the floor in an echo of the plaster casts from Pompeii, where the bodily shapes of animals and people were
preserved as cavities in the volcanic ash after the eruption of Vesuvius in AD 79. For Vera Lossau, the technique of making
casts of lost forms thus has an existential dimension.
In other forms Vera Lossau reminds herself of certain objects, such as figural consoles from balconies or an ornamental
appliqué from Spain with skulls, which she reproduces in a palette and material foreign to the original. The figures of mourning
monks also stand for the principle of memory. Following the example of Gothic Pleurants, Vera Lossau conceives shadowy
beings who, despite their low height, outwardly express an inner monumentality. In this process of reproduction, however, the
sculptress is not concerned with assimilating a concept in the spirit of Appropriation Art. Rather, she uses these things, which
may also include real objects, to lend haptic expression to very personal feelings.
Her artistic works may become visible in ever-different constellations in exhibitions, since Vera Lossau enters into a specific
intuitive dialogue with the gallery space. This variability clearly shows itself as work-immanent in Shelterbelt, squares tiles
covered with imitation ivy which can be mounted on the wall in completely different quantities – just one sign of organic growth
within the room.
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Erinnerungen sind vielseitig. Ein Gegenstand oder Bild kann reale Ereignisse und Gefühle hervorrufen, die vergangen sind,
aber auch solche, die sich nie ereignet haben und allein in der Vorstellung real geworden sind. Die Dinge der Welt können
diese Erinnerungen verkörpern, auch Eindrücke, in denen sich Erlebtes mit Imaginiertem mischt.
Die skulpturalen Objekte von Vera Lossau können viele Erinnerungen wecken und sind zugleich Speicher für die Erinnerung
an ihre eigene ideelle Herkunft, ihre Formgebung und Realisation. Als Ersatz für einen Verlust stehen Abgüsse zerstörter
Bilder oder ein am Boden liegender Hund, der auf die Gipsgüsse in Pompeji verweist, wo die Vulkanasche nach dem
Ausbruch des Vesuvs im Jahr 79 n. Chr. die körperliche Form von Tieren und Menschen als Hohlräume konservierte. Die
Gusstechnik der verlorenen Form hat so für Vera Lossau eine existenzielle Dimension.
In anderen Formen erinnert sich Vera Lossau selbst an bestimmte Objekte, wie figurierte Konsolensteine an Balkonen oder
eine ornamentale Applikation aus Spanien mit Totenköpfen, die sie in ihrer Nachschöpfung farblich und materiell verfremdet.
Auch die Figuren trauernder Mönche stehen für das Prinzip der Erinnerung. Nach dem Vorbild gotischer Pleurants hat Vera
Lossau dunkel gefasste Wesen geformt, die trotz ihrer geringen Höhe nach Außen hin eine Art innerer Monumentalität
verkörpern. Bei diesem Vorgang der Nachschöpfung geht es der Bildhauerin aber nicht um eine konzeptuelle Aneignung im
Sinne der Appropriation Art. Vielmehr bedient sie sich dieser Dinge, die auch reale Objekte umfassen können, um sehr
persönlichen Gefühlen haptisch Ausdruck zu verleihen.
Die künstlerischen Arbeiten können in einer Ausstellung in immer wieder anderen Konstellationen sichtbar werden, da sich
Vera Lossau auf einen spezifischen intuitiven Dialog mit den Räumen einlässt. Anschaulich zeigt sich diese Variabilität
werkimmanent bei quadratischen Platten die von nachgebildetem Efeu überzogen sind und in völlig unterschiedlichen
Ausmaßen an der Wand angebracht sein können, nur ein Zeichen organischen Wucherns im Raum. TWK
that have never happened and which have only become real in the mind.
The things of this world can embody such memories and impressions in which experiences fuses with imagination.
The sculptural objects by Vera Lossau can awaken many memories and are at the same time a storehouse for the memory of
their own origins in the mind, their shaping and realisation. Standing as a substitute for a loss are casts of destroyed images,
or a dog lying on the floor in an echo of the plaster casts from Pompeii, where the bodily shapes of animals and people were
preserved as cavities in the volcanic ash after the eruption of Vesuvius in AD 79. For Vera Lossau, the technique of making
casts of lost forms thus has an existential dimension.
In other forms Vera Lossau reminds herself of certain objects, such as figural consoles from balconies or an ornamental
appliqué from Spain with skulls, which she reproduces in a palette and material foreign to the original. The figures of mourning
monks also stand for the principle of memory. Following the example of Gothic Pleurants, Vera Lossau conceives shadowy
beings who, despite their low height, outwardly express an inner monumentality. In this process of reproduction, however, the
sculptress is not concerned with assimilating a concept in the spirit of Appropriation Art. Rather, she uses these things, which
may also include real objects, to lend haptic expression to very personal feelings.
Her artistic works may become visible in ever-different constellations in exhibitions, since Vera Lossau enters into a specific
intuitive dialogue with the gallery space. This variability clearly shows itself as work-immanent in Shelterbelt, squares tiles
covered with imitation ivy which can be mounted on the wall in completely different quantities – just one sign of organic growth
within the room.
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Erinnerungen sind vielseitig. Ein Gegenstand oder Bild kann reale Ereignisse und Gefühle hervorrufen, die vergangen sind,
aber auch solche, die sich nie ereignet haben und allein in der Vorstellung real geworden sind. Die Dinge der Welt können
diese Erinnerungen verkörpern, auch Eindrücke, in denen sich Erlebtes mit Imaginiertem mischt.
Die skulpturalen Objekte von Vera Lossau können viele Erinnerungen wecken und sind zugleich Speicher für die Erinnerung
an ihre eigene ideelle Herkunft, ihre Formgebung und Realisation. Als Ersatz für einen Verlust stehen Abgüsse zerstörter
Bilder oder ein am Boden liegender Hund, der auf die Gipsgüsse in Pompeji verweist, wo die Vulkanasche nach dem
Ausbruch des Vesuvs im Jahr 79 n. Chr. die körperliche Form von Tieren und Menschen als Hohlräume konservierte. Die
Gusstechnik der verlorenen Form hat so für Vera Lossau eine existenzielle Dimension.
In anderen Formen erinnert sich Vera Lossau selbst an bestimmte Objekte, wie figurierte Konsolensteine an Balkonen oder
eine ornamentale Applikation aus Spanien mit Totenköpfen, die sie in ihrer Nachschöpfung farblich und materiell verfremdet.
Auch die Figuren trauernder Mönche stehen für das Prinzip der Erinnerung. Nach dem Vorbild gotischer Pleurants hat Vera
Lossau dunkel gefasste Wesen geformt, die trotz ihrer geringen Höhe nach Außen hin eine Art innerer Monumentalität
verkörpern. Bei diesem Vorgang der Nachschöpfung geht es der Bildhauerin aber nicht um eine konzeptuelle Aneignung im
Sinne der Appropriation Art. Vielmehr bedient sie sich dieser Dinge, die auch reale Objekte umfassen können, um sehr
persönlichen Gefühlen haptisch Ausdruck zu verleihen.
Die künstlerischen Arbeiten können in einer Ausstellung in immer wieder anderen Konstellationen sichtbar werden, da sich
Vera Lossau auf einen spezifischen intuitiven Dialog mit den Räumen einlässt. Anschaulich zeigt sich diese Variabilität
werkimmanent bei quadratischen Platten die von nachgebildetem Efeu überzogen sind und in völlig unterschiedlichen
Ausmaßen an der Wand angebracht sein können, nur ein Zeichen organischen Wucherns im Raum. TWK