Dr. Renate Goldmann
The Touch – Kunst als Visionssuche
Text aus: Vera Lossau, The Touch – Kunst als Visionssuche, in: Neues Rheinland: Die postironische Generation, Distanz Verlag
Vera Lossau ist eine Gegenwarts-Alchemistin, die kulturelle Metaphern über Raum- und Zeitgrenzen hinweg in das Jetzt
der Performance, der Skulptur und des Bildes transferiert. Inspiriert durch ihre Reisen in Europa und im Mittelmeerraum
entstehen oft Werkgruppen, in denen sie Architekturelemente, Ornamente, Kunst und Alltagsdinge zu einer offenen
Lesbarkeit verarbeitet.
Dabei verwandelt sie die Vorbilder durch gewollt intensive handwerkliche Prozesse und ausdrucksstarke
Installationsformen in eigenständige Setzungen. Deutlich wird dies zum Beispiel an Black and Blues (2009), selbst
modulierte Keramikfliesen mit blauem, abstraktem Dekor, vieldeutige Erinnerungsbilder an die Niederlande, Spanien,
Portugal und dem Iran, die als großflächiges Wandrelief geheimnisvoll mit dem Betrachter kommunizieren.
Ausgangspunkt für die Skulpturengruppe The Touch von 2010 bildet nun ihr längerer Aufenthalt in Israel und die
Auseinandersetzung mit figürlichen Türklopfern an historischen Bauten, Torflügeln und Wohnungstüren. Als Zeichen für
ihre „Introspektion“ sind weit über zwanzig in Aluminium und andere Materialien gegossene Hände mit eingeschlossenen
kleinen Kugeln und darüber hinaus ein lebensgroßer Abguss von einer Hand, die einen Bauch schützt, entstanden. Wie
ein gestisches Menetekel ragen die zahlreichen kleinen und großen Hände aus der Wand hervor und markieren einen Ort
des Übergangs.
Für Vera Lossau sind dies weitere „universelle symbolische Sprachfragmente“, auf die sie in ihrem Werk immer wieder
referiert unddie sie hinsichtlich der Machart „aus wenig erschafft“.
Die Mehrfachcodierung von The Touch ergibt sich aus einem performativen und Resonanz suchendem Ansatz,
auskunstwissenschaftlichen Bezügen zur Skizze und Fragmentästhetik und aus zahlreichen kulturellen Assoziationen gilt
die Hand generell als pars pro toto des menschlichen Körpers, abzulesen an religiösen Konnotationen wie die
Reliquienhand und die Chamsa. Dies führte in der Volksmedizin zu dem Glauben, dass besonders Totenhände
verschlossene Türen wieder öffnen können. Neben diesen heterogenen Aspekten überrascht Vera Lossau mit The Touch
nicht zuletzt erneut, eine skulpturale und installative Zeichenfindung für Kunst als weit reichende Erfahrung von
Visionssuche anzubieten.