Anke Troschke im Gespräch mit Vera Lossau am 20.12.2007 (Auszug)
„Alle guten Dinge brauchen Zeit….“
Text aus: Vera Lossau Pokerface, Bochum: Verlag Dr. Brockmeyer 2008,
Ihre Objekte basieren auf dem System unterschiedlicher Konnotationsebenen. Inwieweit spiegeln sich ihre eigenen
Wahrnehmungsmuster in den Objekten wider?
L: Ich benutze verschiedene Medien, die sich wiederholen und sich gegenseitig aufgreifen. Da sie alle durch meinen Kopf und
meine Hände geboren wurden, entsteht fast so etwas wie eine Vibration im übereinstimmenden Rhythmus, ohne dass dies zu
eindeutig definiert werden muss. Ich mag auch die Vorstellung von einer temporären Ausstellung, durch die verschiedene
Bilder flimmern. Die Installation der Ausstellung funktioniert wie ein Netz, so dass sich auf formaler sowie metaphorischer
Ebene eine so nicht wiederholbare Konstellation ergibt. Bei den einzelnen Arbeiten handelt es sich zwar um jeweils eigene
autonome und in sich schlüssige Objekte, darüber hinaus aber erscheinen sie vor einem gemeinsamen konzeptionellem
Hintergrund.
Die Objekte treten miteinander in Verbindung? Das heißt doch in der Konsequenz, dass jede Ausstellung – da sie ja für
Ausstellungen neu arbeiten und neu arrangieren - ein neues inhaltliches Netz ausbreitet.
L: Mir gefällt dieser Gedanke, dass alles offen ist und dass viele Ebenen analog existieren. Dass die Objekte direkte aber auch
sinnbildliche Interpretationen zulassen und dennoch alle ästhetischen Voraussetzungen erfüllen. Jede Rauminstallation hat
eine eigene Dynamik und ein neues Leben. Ein sehr wichtiger Punkt in meiner Arbeit in den letzten Jahren oder auch Monaten
war unter anderem die Suche nach: Was ist Qualität? Daher auch der momentane Blick auf das Kunsthandwerk, verbunden
mit der praktischen Frage: Wie werden Dinge hergestellt? Ich mache selber Abgüsse und versuche momentan klassische
Formen umzusetzen, aber auf eine sehr subjektive und sehr eigene Art zu transformieren, so dass etwas sehr Frisches, etwas
sehr Lebendiges herauskommt, und wo vor allem das, was ich meine Qualität nenne zu Tage tritt.
Ein wenig spazieren Sie ja durch die Kunstgeschichte…
L: Ich merke auch wie wesentlich eine eigene Handschrift für meine Arbeit ist. Wie wichtig es für mich ist zu modellieren, oder
etwas zu zeichnen, - es kann sogar am Computer gezeichnet sein - dass es durch die eigenen Hände läuft und Subjektivität
erlangt. Auf konzeptioneller Ebene liegt dann eher die Auswahl der sehr zeitgenössischen Materialien. Polyester oder
Kunststoff.
Aber sie arbeiten auch mit Bronze, einem ehrwürdigen, alten Material.
L: Die Herstellungsweisen mit denen ich arbeite sind zum Teil auch alt: Gipsabgüsse sind eine uralte Technik. Es sollte beides
miteinander zusammenkommen. Bei den Bronzearbeiten ist es übrigens umgekehrt: das klassische Material mit sehr
zeitgenössischer Formgebung.
Sie nehmen das Erbe und verwandeln es zu etwas ganz Neuem?
L: Im Moment arbeite ich so, aber das ist der Ausdruck einer Suche, der Suche nach Qualität. Es ist etwas sehr mir Eigenes,
hat aber auch zu tun mit einem explodierenden Kunstmarkt mit dem man konfrontiert ist. Einem Kunstmarkt in dem die
Kriterien was qualitativ hochwertig ist und welche Preise vergeben werden etc. oft mehr als irrational sind.
Muss man da nicht als Künstlerin seine eigene Definition von Qualität finden?
L: Es gibt schon einige Dinge, die von grundsätzlicher Art sind: wie zum Beispiel eine Komposition funktioniert. Jeder Künstler
hat sicherlich auch seine eigene Definition, aber ob die dann Stand hält, wird sich zeigen, nach den Trends, die es gibt…
Glauben Sie dass Kunst heute noch etwas bewirken oder bewegen kann?
L: Ich glaube eine Situation wie in der klassischen Moderne mit ihren deutlichen Zielrichtungen und Entwicklungen, das gibt’s
so nicht mehr. Auf individueller Ebene schon und ich vermute auch, dass da noch etwas kommt. Ich glaube auch, dass es
essentiell ist, das künstlerische Schaffen auch als eine Art Platzhalter zu sehen. Diese Arbeit - als jemand der künstlerisch
tätig ist – basiert auch auf einer gewissen in die Gesellschaft eingebetteten widersprüchlichen Freiheit. Auch mit allen
Schwierigkeiten, die damit verbunden sind ist es wichtig, dass man diese Freiheit wahrnimmt, auch wenn sie manchmal
scheinbar nur potentiell existiert...oder man sie nur für eine kurze Zeit füllen kann...
Als Künstlerin nimmt ja eine besondere Stellung ein, man kann in „künstlerischer Freiheit“ Dinge in der Gesellschaft in Frage
stellen oder thematisieren wie kaum ein anderer…
L: Tatsächlich existiert dieser Bereich nicht so häufig als ein Element von Kultur. Wichtig vielleicht auch für andere Menschen,
zu wissen, dass dieser Bereich existiert. Es klingt anmaßend, da es ja heutzutage so viele Level und so viele Künstler gibt.
Aber neben allen Selbstzweifeln, ob die Leistung auch ausreicht, glaube ich schon, dass man daran arbeiten kann, etwas zu
bringen was auch eine eigene Wertigkeit hat. Etwas, das eine unabhängige kleine Welt darstellt, in die auch Leute
hineingehen können und etwas davon haben.
Das Stadium, in dem sich ihre Kunst befindet ist ein Vorübergehendes: sie ist im Wachsen?
L: Das ist wie bei einer Zeichnung oder bei Gemälden, wo die Vorzeichnung, die Skizze schon die ganze Qualität in sich trägt.
Jedes Stadium muss gut sein und die Proportionen müssen von vorneherein stimmen. Ich sehe schon was ich erreicht habe
und dass sich eine eigene Sicht der Dinge konkretisiert hat, aber man kann das prinzipiell nicht als abgeschlossen betrachten.
Ist künstlerische Arbeit für Sie eine Art Selbstverwirklichung?
L: Es ist wichtig für mich diese Arbeit machen zu können und es ist sehr wichtig, mit anderen diese Arbeit zu teilen. Aber es
geht nicht nur um Selbstpräsentation, sondern es geht um die Arbeit. Das ist auch mit dieser Freiheit gemeint, die darin steckt,
diese Hingabe an etwas. Es sind ja nicht immer gutes Feedback, Geld oder Preise garantiert. Die Arbeit lohnt sich an sich,
ganz besonders wenn sie zu einer gelungenen Geste wird, die eine eigene Welt, eine eigene Schönheit hat. Die Hingabe
daran finde ich sehr befriedigend und auch sehr wichtig für die Entwicklung meiner eigenen Person. Daher weiß ich auch,
dass ich weitermachen werde, auch wenn es schwierig wird.
Stehen Sie mit anderen Künstlerinnen in Kontakt? Tauschen Sie sich aus über solche Dinge?
L: Es ist ein riesiges Glück, wenn man Gleichgesinnte findet und man sich auf einer guten, intellektuellen Ebene austauschen
kann und dazu gehört ebenfalls sich die Arbeiten der anderen anzusehen. Es ist ein Missverständnis, dass jemand, der sich
nicht mit Kunst auseinandersetzt, das alles bewerten muss. Mit Leuten, die sich damit beschäftigen, ihre Erfahrung haben,
Austausch zu haben, kann sehr fruchtbar sein.
Wie entsteht die Idee zu einer Arbeit?
Durch Träume, Beobachtungen, Wirklichkeitsverdrehungen.
Welche Bedeutung haben die Titel Ihrer Arbeiten?
Das ist unterschiedlich, manchmal sind sie programmatisch wie die „half objects“, manchmal bilden sie eine zusätzliche
Komponente oder sind integrativer Teil der Arbeit wie bei den „Library Bums“...sehr wichtig sind mir die Titel der jeweiligen
Ausstellungen...“What´s my name again?“ in München, „Fantastic New Habits“ in Bochum, „Who Cares.“, im Kunstverein
Mönchengladbach oder eben zuletzt „Hunter´s Moon“ in London...und „Pokerface“.
Wo liegen denn ihre künstlerischen Wurzeln? Mein erster Gedanke angesichts des bronzenen Pümpels („In this way Mr. K.
will challenge the world“) war Marcel Duchamp.
L: Diese Absurdität, die Duchamp in seinen Werken hat, schätze ich durchaus auch. Ich würde mich nicht direkt auf ihn
beziehen, aber was er gebracht hat, ist sehr wichtig für alles was danach kam. Ich würde sagen, dass ich für mich Wurzeln in
der Malerei der Frührenaissance, z.B. bei Giotto und Frau Angelico erkenne. Dieses Raffinierte aber auch sehr positive
Element ihrer Malerei hat sehr viel damit zu tun wie ich Farben benutze. Bruce Naumann, Thomas Schütte oder auch
Katharina Fritsch, Rosemarie Trockel finde ich auch großartig. Künstler, die wie ich mit figurativer Bildhauerei mit
konzeptionellen Bezügen arbeiten, die etwas Neues gebracht haben und eine unabhängige innere Spannung und zum Teil
auch Selbstironie vorweisen.
Kann man das Skurrile, den ironischen Seitenblick als wesentlichen Teil ihrer Arbeit beschreiben?
Natürlich, ich nenne das für mich: das Absurde, obwohl ich weiß, dass der Begriff durch den Existenzialismus belegt ist.
Dieses Absurde gibt ein kleines Gefühl von Freiheit, weil es sich jenseits von den Wahrnehmungsstrukturen befindet, die man
kennt. Genau das ist auch Motivation und Teil meiner Suche. Zu Beginn meiner Arbeit war sehr viel Kritik an den bestehenden
ästhetischen, gesellschaftlichen oder kunstimmanenten Verhältnissen vorhanden, die ich destabilisieren wollte und jetzt
kommt mehr und mehr ein konstruktiveres Element dazu. Etwas Neues, das auch sehr viel mit Schönheit zu tun hat. Formen
und Materialien, die für sich im Raum schön stehen können, aber die trotzdem noch diese Brüche transportieren. Sie beziehen
sich nicht mehr so stark auf die existierenden Strukturen, die es abzuarbeiten gilt, da ist jetzt was Neues, etwas Konstruktives.
Zum Beispiel werde ich viel mit Blumenbildern arbeiten. Das ist natürlich „schön“, aber bedeutet für mich auch einen
ziemlichen Sarkasmus, das überhaupt zu bringen. Das ist die Grenze von dem was schön ist und was man machen kann und
als Künstler darf. Für mich selbst eine sehr provokante Geste, an der ich meine Freude habe.
Der Bruch mit gewohnten Sehstrukturen soll zu einem Erkenntnisgewinn führen. Man erkennt die Zitate der Blumenstilleben
und wird dann angesichts der bronzenen Harke verunsichert.
Das Ziel ist das Schaffen einer wenigstens momentanen neuen Offenheit. Die Idee zu der Harke war eigentlich die eines
Slapsticks, in dem man auf die Harke tritt und sie einem mit dem Stiel vor die Stirn schlägt und man kurzfristig seine Sinne
verliert. Sie wird in der Ausstellung natürlich an der Wand lehnen, aber dient dennoch als Schlüssel für die Arbeit. Das
Element, das einem die Sinne schwinden und man Sterne sieht, das doch noch vorhanden ist. Aber auf subtile Art und Weise.
Frau Lossau, ich bin gespannt auf die Ausstellung und danke Ihnen für das Gespräch!
„Alle guten Dinge brauchen Zeit….“
Text aus: Vera Lossau Pokerface, Bochum: Verlag Dr. Brockmeyer 2008,
Ihre Objekte basieren auf dem System unterschiedlicher Konnotationsebenen. Inwieweit spiegeln sich ihre eigenen
Wahrnehmungsmuster in den Objekten wider?
L: Ich benutze verschiedene Medien, die sich wiederholen und sich gegenseitig aufgreifen. Da sie alle durch meinen Kopf und
meine Hände geboren wurden, entsteht fast so etwas wie eine Vibration im übereinstimmenden Rhythmus, ohne dass dies zu
eindeutig definiert werden muss. Ich mag auch die Vorstellung von einer temporären Ausstellung, durch die verschiedene
Bilder flimmern. Die Installation der Ausstellung funktioniert wie ein Netz, so dass sich auf formaler sowie metaphorischer
Ebene eine so nicht wiederholbare Konstellation ergibt. Bei den einzelnen Arbeiten handelt es sich zwar um jeweils eigene
autonome und in sich schlüssige Objekte, darüber hinaus aber erscheinen sie vor einem gemeinsamen konzeptionellem
Hintergrund.
Die Objekte treten miteinander in Verbindung? Das heißt doch in der Konsequenz, dass jede Ausstellung – da sie ja für
Ausstellungen neu arbeiten und neu arrangieren - ein neues inhaltliches Netz ausbreitet.
L: Mir gefällt dieser Gedanke, dass alles offen ist und dass viele Ebenen analog existieren. Dass die Objekte direkte aber auch
sinnbildliche Interpretationen zulassen und dennoch alle ästhetischen Voraussetzungen erfüllen. Jede Rauminstallation hat
eine eigene Dynamik und ein neues Leben. Ein sehr wichtiger Punkt in meiner Arbeit in den letzten Jahren oder auch Monaten
war unter anderem die Suche nach: Was ist Qualität? Daher auch der momentane Blick auf das Kunsthandwerk, verbunden
mit der praktischen Frage: Wie werden Dinge hergestellt? Ich mache selber Abgüsse und versuche momentan klassische
Formen umzusetzen, aber auf eine sehr subjektive und sehr eigene Art zu transformieren, so dass etwas sehr Frisches, etwas
sehr Lebendiges herauskommt, und wo vor allem das, was ich meine Qualität nenne zu Tage tritt.
Ein wenig spazieren Sie ja durch die Kunstgeschichte…
L: Ich merke auch wie wesentlich eine eigene Handschrift für meine Arbeit ist. Wie wichtig es für mich ist zu modellieren, oder
etwas zu zeichnen, - es kann sogar am Computer gezeichnet sein - dass es durch die eigenen Hände läuft und Subjektivität
erlangt. Auf konzeptioneller Ebene liegt dann eher die Auswahl der sehr zeitgenössischen Materialien. Polyester oder
Kunststoff.
Aber sie arbeiten auch mit Bronze, einem ehrwürdigen, alten Material.
L: Die Herstellungsweisen mit denen ich arbeite sind zum Teil auch alt: Gipsabgüsse sind eine uralte Technik. Es sollte beides
miteinander zusammenkommen. Bei den Bronzearbeiten ist es übrigens umgekehrt: das klassische Material mit sehr
zeitgenössischer Formgebung.
Sie nehmen das Erbe und verwandeln es zu etwas ganz Neuem?
L: Im Moment arbeite ich so, aber das ist der Ausdruck einer Suche, der Suche nach Qualität. Es ist etwas sehr mir Eigenes,
hat aber auch zu tun mit einem explodierenden Kunstmarkt mit dem man konfrontiert ist. Einem Kunstmarkt in dem die
Kriterien was qualitativ hochwertig ist und welche Preise vergeben werden etc. oft mehr als irrational sind.
Muss man da nicht als Künstlerin seine eigene Definition von Qualität finden?
L: Es gibt schon einige Dinge, die von grundsätzlicher Art sind: wie zum Beispiel eine Komposition funktioniert. Jeder Künstler
hat sicherlich auch seine eigene Definition, aber ob die dann Stand hält, wird sich zeigen, nach den Trends, die es gibt…
Glauben Sie dass Kunst heute noch etwas bewirken oder bewegen kann?
L: Ich glaube eine Situation wie in der klassischen Moderne mit ihren deutlichen Zielrichtungen und Entwicklungen, das gibt’s
so nicht mehr. Auf individueller Ebene schon und ich vermute auch, dass da noch etwas kommt. Ich glaube auch, dass es
essentiell ist, das künstlerische Schaffen auch als eine Art Platzhalter zu sehen. Diese Arbeit - als jemand der künstlerisch
tätig ist – basiert auch auf einer gewissen in die Gesellschaft eingebetteten widersprüchlichen Freiheit. Auch mit allen
Schwierigkeiten, die damit verbunden sind ist es wichtig, dass man diese Freiheit wahrnimmt, auch wenn sie manchmal
scheinbar nur potentiell existiert...oder man sie nur für eine kurze Zeit füllen kann...
Als Künstlerin nimmt ja eine besondere Stellung ein, man kann in „künstlerischer Freiheit“ Dinge in der Gesellschaft in Frage
stellen oder thematisieren wie kaum ein anderer…
L: Tatsächlich existiert dieser Bereich nicht so häufig als ein Element von Kultur. Wichtig vielleicht auch für andere Menschen,
zu wissen, dass dieser Bereich existiert. Es klingt anmaßend, da es ja heutzutage so viele Level und so viele Künstler gibt.
Aber neben allen Selbstzweifeln, ob die Leistung auch ausreicht, glaube ich schon, dass man daran arbeiten kann, etwas zu
bringen was auch eine eigene Wertigkeit hat. Etwas, das eine unabhängige kleine Welt darstellt, in die auch Leute
hineingehen können und etwas davon haben.
Das Stadium, in dem sich ihre Kunst befindet ist ein Vorübergehendes: sie ist im Wachsen?
L: Das ist wie bei einer Zeichnung oder bei Gemälden, wo die Vorzeichnung, die Skizze schon die ganze Qualität in sich trägt.
Jedes Stadium muss gut sein und die Proportionen müssen von vorneherein stimmen. Ich sehe schon was ich erreicht habe
und dass sich eine eigene Sicht der Dinge konkretisiert hat, aber man kann das prinzipiell nicht als abgeschlossen betrachten.
Ist künstlerische Arbeit für Sie eine Art Selbstverwirklichung?
L: Es ist wichtig für mich diese Arbeit machen zu können und es ist sehr wichtig, mit anderen diese Arbeit zu teilen. Aber es
geht nicht nur um Selbstpräsentation, sondern es geht um die Arbeit. Das ist auch mit dieser Freiheit gemeint, die darin steckt,
diese Hingabe an etwas. Es sind ja nicht immer gutes Feedback, Geld oder Preise garantiert. Die Arbeit lohnt sich an sich,
ganz besonders wenn sie zu einer gelungenen Geste wird, die eine eigene Welt, eine eigene Schönheit hat. Die Hingabe
daran finde ich sehr befriedigend und auch sehr wichtig für die Entwicklung meiner eigenen Person. Daher weiß ich auch,
dass ich weitermachen werde, auch wenn es schwierig wird.
Stehen Sie mit anderen Künstlerinnen in Kontakt? Tauschen Sie sich aus über solche Dinge?
L: Es ist ein riesiges Glück, wenn man Gleichgesinnte findet und man sich auf einer guten, intellektuellen Ebene austauschen
kann und dazu gehört ebenfalls sich die Arbeiten der anderen anzusehen. Es ist ein Missverständnis, dass jemand, der sich
nicht mit Kunst auseinandersetzt, das alles bewerten muss. Mit Leuten, die sich damit beschäftigen, ihre Erfahrung haben,
Austausch zu haben, kann sehr fruchtbar sein.
Wie entsteht die Idee zu einer Arbeit?
Durch Träume, Beobachtungen, Wirklichkeitsverdrehungen.
Welche Bedeutung haben die Titel Ihrer Arbeiten?
Das ist unterschiedlich, manchmal sind sie programmatisch wie die „half objects“, manchmal bilden sie eine zusätzliche
Komponente oder sind integrativer Teil der Arbeit wie bei den „Library Bums“...sehr wichtig sind mir die Titel der jeweiligen
Ausstellungen...“What´s my name again?“ in München, „Fantastic New Habits“ in Bochum, „Who Cares.“, im Kunstverein
Mönchengladbach oder eben zuletzt „Hunter´s Moon“ in London...und „Pokerface“.
Wo liegen denn ihre künstlerischen Wurzeln? Mein erster Gedanke angesichts des bronzenen Pümpels („In this way Mr. K.
will challenge the world“) war Marcel Duchamp.
L: Diese Absurdität, die Duchamp in seinen Werken hat, schätze ich durchaus auch. Ich würde mich nicht direkt auf ihn
beziehen, aber was er gebracht hat, ist sehr wichtig für alles was danach kam. Ich würde sagen, dass ich für mich Wurzeln in
der Malerei der Frührenaissance, z.B. bei Giotto und Frau Angelico erkenne. Dieses Raffinierte aber auch sehr positive
Element ihrer Malerei hat sehr viel damit zu tun wie ich Farben benutze. Bruce Naumann, Thomas Schütte oder auch
Katharina Fritsch, Rosemarie Trockel finde ich auch großartig. Künstler, die wie ich mit figurativer Bildhauerei mit
konzeptionellen Bezügen arbeiten, die etwas Neues gebracht haben und eine unabhängige innere Spannung und zum Teil
auch Selbstironie vorweisen.
Kann man das Skurrile, den ironischen Seitenblick als wesentlichen Teil ihrer Arbeit beschreiben?
Natürlich, ich nenne das für mich: das Absurde, obwohl ich weiß, dass der Begriff durch den Existenzialismus belegt ist.
Dieses Absurde gibt ein kleines Gefühl von Freiheit, weil es sich jenseits von den Wahrnehmungsstrukturen befindet, die man
kennt. Genau das ist auch Motivation und Teil meiner Suche. Zu Beginn meiner Arbeit war sehr viel Kritik an den bestehenden
ästhetischen, gesellschaftlichen oder kunstimmanenten Verhältnissen vorhanden, die ich destabilisieren wollte und jetzt
kommt mehr und mehr ein konstruktiveres Element dazu. Etwas Neues, das auch sehr viel mit Schönheit zu tun hat. Formen
und Materialien, die für sich im Raum schön stehen können, aber die trotzdem noch diese Brüche transportieren. Sie beziehen
sich nicht mehr so stark auf die existierenden Strukturen, die es abzuarbeiten gilt, da ist jetzt was Neues, etwas Konstruktives.
Zum Beispiel werde ich viel mit Blumenbildern arbeiten. Das ist natürlich „schön“, aber bedeutet für mich auch einen
ziemlichen Sarkasmus, das überhaupt zu bringen. Das ist die Grenze von dem was schön ist und was man machen kann und
als Künstler darf. Für mich selbst eine sehr provokante Geste, an der ich meine Freude habe.
Der Bruch mit gewohnten Sehstrukturen soll zu einem Erkenntnisgewinn führen. Man erkennt die Zitate der Blumenstilleben
und wird dann angesichts der bronzenen Harke verunsichert.
Das Ziel ist das Schaffen einer wenigstens momentanen neuen Offenheit. Die Idee zu der Harke war eigentlich die eines
Slapsticks, in dem man auf die Harke tritt und sie einem mit dem Stiel vor die Stirn schlägt und man kurzfristig seine Sinne
verliert. Sie wird in der Ausstellung natürlich an der Wand lehnen, aber dient dennoch als Schlüssel für die Arbeit. Das
Element, das einem die Sinne schwinden und man Sterne sieht, das doch noch vorhanden ist. Aber auf subtile Art und Weise.
Frau Lossau, ich bin gespannt auf die Ausstellung und danke Ihnen für das Gespräch!