VERA LOSSAU
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_Carla Donauer im Gespräch Vera Lossau

Picture
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CD: Du hast für die Ausstellung in Ringenberg eine neue großformatige Wandarbeit,

bestehend aus schwarzen Fragmenten und Bruchstücken, entwickelt, die sehr

grafisch ist. Welches Material hast du benutzt?


VL: Alle Teile bestehen aus Gips, sind aus Silikonformen gegossen, schwarz


gefärbt und anschließend noch einmal mit Epoxydharz mit schwarzem Pigment

überzogen, gewissermaßen eine Verdoppelung der Farbe. Ich wollte, dass die

Oberfläche wie nass glänzt.


CD: Schwarz ist ja eine Farbe, die viele Assoziationen in der Kunstgeschichte
wachruft...


VL: Die Auswahl der Farbe leitet sich aus vielen Arbeiten, die ich bisher gemacht habe, ab. Aber sicherlich schwingen auch


ganz konkrete Einflüsse von Arbeiten wie Fresh widow von Marcel Duchamp mit oder bezogen auf die Farbe, Kasimir

Malevitsch und Francisco de Goya.


CD: Welche thematischen Überlegungen waren für die Entstehung dieser neuen Arbeit wichtig?



VL: Erste Ideen kamen mir beim Fotografieren von zerbrochenen Fensterscheiben in einem Fabrikgebäude. Es geht dabei um


Struktur und das Durchbrechen von Strukturen, sowohl auf formaler Ebene der Anordnung der einzelnen Felder als auch in

dem, was die Arbeit bildsprachlich repräsentiert. Ich versuche, eine Balance zwischen dem Abstrakten und dem Figurativen zu

finden und mich damit zwischen zwei gegensätzlichen Begriffen zu bewegen: Einerseits ist beispielsweise die Arbeit eine

große Wandskulptur, andererseits besteht sie aus einzelnen Elementen. Es ergibt sich ein Wechselspiel von Negativem und

Positivem, da die Abgüsse sozusagen die Leerstellen füllen, die sich aus zerbrochenen Fensterscheiben ergeben. Eine

zerbrochene Fensterscheibe ist ein Symptom dafür, dass hier etwas aufgegeben wurde bzw. ein erstes Indiz für Verfall. Meine

Arbeit greift gerade diese Elemente auf. Darauf bezieht sich die Broken windows Theorie (nach den US-amerikanischen

Sozialforschern James Q. Wilson und George L. Kelling im Jahre 1982). Fensterscheiben sind sowohl im Ausstellungsraum in

Ringenberg, als auch in meinem Atelier ein starkes formales Element und es gibt eine überraschende Verbindung, da hier

einige der alten Fenster gebrochen sind. Letztlich ist die Arbeit ortsspezifisch, wobei das Thema der Arbeit darüber

hinausgeht.


CD: Mir scheint, dass sich diese neue Arbeit von deinen vorangehenden Wandarbeiten unterscheidet (z.B. Blacks and Blues),


da hier doch der Ursprung der Idee weitgehend verborgen bleibt. Bei den bisherigen Wandarbeiten wurde der flächige

Eindruck von weitem beim Näherkommen aufgelöst. Gibt es neue Überlegungen, die dieser Arbeit zugrunde liegen?


VL: Ich glaube, dass es eine ähnliche Dynamik im Vergleich zu den bereits bestehenden Arbeiten gibt. In der Form der


Anordnung, mit dem Bezug zu zerbrochenen Fenstern ist die Arbeit eher figurativ. Aus der Nähe aber löst sich dieser

Eindruck auf und es sind vielmehr einzelne abstrakte Felder. Es geht aber auch um das Verhältnis von Volumen und Fläche

zueinander.


CD: Neben dem Volumen sind Oberfläche und Beschaffenheit eines Materials wesentlich für deine Arbeit, dies sind Aspekte


aus der klassischen Bildhauerei, du sprichst aber bei deiner Arbeit nicht von Skulptur...Was sind für dich interessante Aspekte

von Material?


VL: Mir geht es um das Bildhauerische, den Prozess des Machens, der aber nicht immer unbedingt unmittelbar in der Arbeit


repräsentiert ist. Mich interessieren fließende Oberflächen, das Unperfekte und Unfertige. Die Verwandlung eines Materials

bei der Umkehrung von positiv und negativ interessiert mich. Nicht nur im Sinne einer praktischen Verwendbarkeit, sondern

auch in einer eher gedanklichen Referenzialität. Bei der neuen Arbeit ist für mich wichtig gewesen, einerseits eine Homo-

genität der Formen zu erreichen, die ich dann miteinander verwebe.

Auf der anderen Seite bekommen die Formen durch die Farbe auch einen handwerklichen Aspekt, da ich den Farbauftrag

steure. Ich glaube, dass das Material seine eigene Sprache hat, in der es auch immer um etwas nicht Abgeschlossenes

geht ... Ich finde das sehr metaphorisch ...


CD: Sind deine Arbeiten auch Metaphern für die Anwesenheit einer menschlichen Existenz? Deine Arbeiten nehmen ja neben


alltäglichen Dingen historische, kunsthistorische Referenzen auf und beziehen sich eben auch auf kulturelle Mythen.


VL: Meine Arbeiten entstehen im Zusammenkommen von Material und Bild, mit der Vereinfachung oder Übersetzung in ein


anderes Material. Ich arbeite sehr intuitiv und versuche nicht von vornherein, eine bestimmte Idee zu abstrahieren.

Fragmente spielen eine große Rolle, die sich oft direkt auf einen soziokulturellen Hintergrund beziehen. Ich separiere solche


Relikte, um die ursprüngliche Bedeutung abzuschwächen und sie aus deren Kontext zu lösen. Daher spielen sicherlich

soziologische Überlegungen auch eine Rolle, ich versuche nicht, Formen zu schaffen, die es nie gab. Sondern das

Gegenwärtige zu aktualisieren, so dass daraus neue Verdichtungen entstehen.


CD: Wie gehst du beim Arbeiten vor? Hier hängen ja eine Menge Fotos, Zeichnungen, etc. ...



VL: Es beginnt meist mit etwas, das ich sehe, was ich in einer Zeichnung oder Fotografie festhalte, um dann immer wieder auf


diesen Eindruck zurückzukommen.

Ich recherchiere im Vorfeld sehr viel – dadurch verfestigt sich dann ein Gedanke, der sich durch den Prozess der Anfertigung

jedoch wiederum verschieben kann. Das versuche ich relativ offen zu halten, da auch das Material seine eigenen Voraus-

setzungen hat. Diese Dynamik muss kontrolliert werden, jedoch nicht als statisches Konzept, sondern eher im Steuern des

Materials.


CD: Welche Rolle spielt denn dann der Raum für deine Arbeiten?



VL: Der Bezug zum Raum ist wichtig. In Ringenberg beispielsweise verhielt sich der Entstehungsprozess in Bezug zum Raum,


die Fenster im Schloss waren dabei ein Aspekt. Andererseits spielt eine Unabhängigkeit der Arbeit vom Raum eine große

Rolle. Eine Arbeit aus dieser Reihe muss im Maßstab variabel sein.


CD: Als Erweiterbarkeit?



VL: Ich finde wichtig, dass Arbeiten nicht nur in einem bestimmten Raum funktionieren, sondern an die jeweilige Situation


anpassbar sind. Also die Arbeit eher in einem großen Maßstab denken und mit einer Form, die mit der Hand beeinflussbar ist.


CD: Die Arbeit erscheint auf der einen Seite sehr grafisch, durch die fast monumentale Hängung und das Schwarz des


Materials auf weißem Grund. Zum anderen weisen diese Fragmentierung und das Bruchstückhafte eine Sensibilität der

Wahrnehmung auf, füllst du doch Leerstellen mit Materialität. Wie siehst du das Verhältnis zwischen Form und Eindruck?


VL: Bei vielen Arbeiten geht es um Dinge aus dem Alltag, die fragmentarisch oder fehlerhaft sind und in der Arbeit zu einer Art


„Monument“ werden.


CD: Durch die Spur deiner Handbewegung gibst du ja etwas sehr Persönliches in die Arbeit, durch die Abstraktion der Form


nimmst du aber wieder etwas davon zurück. Inwieweit spielt das „Persönliche“ eine Rolle?


VL: Subjektivität muss in eine autonome Sprache in einer Arbeit übersetzt werden, wobei es gilt, eine zu große Unmittelbarkeit


und Direktheit zu vermeiden. Die Auswahl meiner Themen folgt natürlich einem individuellen Interesse an Objekten und

Motiven mit gesellschaftlichen oder kulturellen Referenzen. Diese versuche ich dann, in meiner Arbeit zu abstrahieren, um sie

wieder als Arbeit der Öffentlichkeit auszusetzen, wo sie schließlich erneut mit Bedeutungen belegt werden wird.


November 2011

 
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